Abgeordnetenbrief zu SERCO: Alexander Salomon thematisiert Vergabepraxis und Marktstrukturen

Abgeordnetenbrief zu SERCO: Alexander Salomon thematisiert Vergabepraxis und Marktstrukturen

In einem Schreiben an Justiz- und Migrationsministerin Marion Gentges fordert der grüne Landtagsabgeordnete Alexander Salomon Aufklärung über die Rolle des internationalen Konzerns SERCO sowie seiner Tochtergesellschaften European Homecare (EHC) und Organisation for Refugee Services (ORS) beim Betrieb von Geflüchtetenunterkünften in Baden-Württemberg.

Hintergrund sind zahlreiche kritische Medienberichte, die auf mangelhafte Betreuungsstandards, unzureichende Kontrollen und hohe Gewinnmargen bei diesen privaten Betreibenden aufmerksam gemacht haben.

Denn offenbar führt die gegenwärtige Vergabepraxis zu einer zunehmenden Marktkonzentration. Bei Ausschreibungen erhalten immer häufiger Unternehmen der Serco-Gruppe den Zuschlag. Öffentliche Betreiberübersichten fehlen, Beschwerden und Mangelvorfälle werden weder nach Einrichtungen noch Betreibenden systematisch erfasst und öffentlich zugänglich gemacht. Verschwiegenheitserklärungen für Mitarbeitende behindern unabhängige Aufklärung zusätzlich. Die Transparenz in diesem Bereich erscheint daher als gering.

Darüber hinaus stehen Serco und seine Tochterunternehmen international wie national wegen mangelhafter Betreuungsstandards und hoher Gewinnmargen in sensiblen Bereichen in der Kritik. Laut Monitor-Recherchen erzielte der Mutterkonzern 2023 eine Bruttogewinnmarge von über 20 Prozent im Bereich Geflüchtetenunterbringung – deutlich über dem Branchendurchschnitt und fragwürdig aus Sicht öffentlicher Verantwortung und der Verwendung öffentlicher Gelder. In Berlin kam es 2023 gar zu einem Todesfall in einer Serco-Einrichtung, der mutmaßlich auf unzureichende medizinische und soziale Betreuung zurückzuführen ist. Dies unterstreicht die Risiken einer konsequenten Privatisierung in diesem Bereich.

Dennoch scheinen bei Ausschreibungen in Baden-Württemberg weiterhin die Vergabekriterien so ausgestaltet, dass Großdienstleister mit günstigen Kostenstrukturen und niedrigen Standards deutliche Vorteile gegenüber Trägern der Wohlfahrtspflege, Sozialunternehmen und dezentralen Modellen haben. Fehlende Qualitätssicherung und unzureichende Beschwerdemechanismen verschärfen diese Problematik.

Fachliche Einschätzungen zeigen, dass die dezentrale Unterbringung in regulären Wohnungen oder kleinen Einheiten integrationspolitisch deutlich wirksamer und langfristig wirtschaftlicher sein könnte. Gründe liegen in besserer sozialer Einbindung, geringeren Folgekosten und höherer Eigenständigkeit der Betroffenen. Der Ausbau scheitert bislang an fehlendem Wohnraum, restriktiven Haltungen und unzureichend genutzten Förderprogrammen. Ein konsequenter politischer Wille sowie gezielte Steuerung und Förderanreize sind hier notwendig, um Abhilfe zu schaffen.

Vor diesem Hintergrund bittet Alexander Salomon die Landesregierung um Beantwortung folgender Fragen:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Zusammenarbeit mit Serco, EHC und ORS?

2. Welche Maßnahmen setzt die Landesregierung um, um Transparenz in diesem Bereich zu schaffen?

3. Wie hoch ist der Anteil von Serco-Unternehmen an den landeseigenen Unterkünften? Ich bitte um eine Übersicht aufgeschlüsselt nach Unterkunft, Betreibenden und Vertragsbeginn.

4. Nach welchen Verfahren und Kriterien erfolgen die Vergaben und wie werden die Kriterien gewichtet, insbesondere hinsichtlich Preis und Qualität?

5. Wie viele Angebote werden durchschnittlich auf eine Ausschreibung abgegeben? Wer waren zuletzt die Mitbewerbenden und warum erhielt Serco den Zuschlag?

6. Welche Qualitätssicherungsauflagen gelten vertraglich und wie, wie oft und wie flächendeckend wird deren Einhaltung kontrolliert?

7. Wie viele Mängelberichte und Beschwerden wurden in den letzten Jahren zu Serco-Unternehmen erfasst? Ich bitte um Aufschlüsselung nach Unterkunft, Betreibenden und konkreter Beschwerde oder Mangel.

8. Wie ist das Beschwerdemanagement organisiert und wie stellt die Landesregierung sicher, dass Beschwerden die tatsächliche Situation abbilden, gerade in Anbetracht der oftmals prekären Lage und begrenzten Handlungsmöglichkeiten von Geflüchteten?

9. Liegen der Landesregierung Informationen zu Gewinnmargen von Serco und seinen Tochtergesellschaften vor und kann ich Einsicht erlangen? Falls der Landesregierung keine Informationen vorliegen, warum wurden diese nicht erhoben?

10. Wie bewertet die Landesregierung die Möglichkeit, in diesem Bereich derart hohe Margen erzielen zu können?

11. Wurde nach dem Todesfall in Berlin auch in Baden-Württemberg eine Überprüfung der Verträge und Zustände vorgenommen?

12. Hält die Landesregierung Vergaben an ein internationales Großunternehmen für vereinbar mit dem Ziel der EU-Richtlinie 2014/24/EU, KMU stärker zu beteiligen?

13. Inwieweit tragen Vergaben an Serco zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele (ebenfalls festgehalten in EU-Richtlinie 2014/24/EU) und sozialverträglicher Politik bei?

14. Sieht die Landesregierung angesichts der Marktsituation politischen Steuerungsbedarf und wie plant sie hier abzuhelfen?

15. Wie bewertet die Landesregierung die dezentrale Unterbringung hinsichtlich Kosten und Integrationsleistung? Liegen dazu eigene Zahlen oder Gutachten vor?