Deutsche Rechtsextremisten liefern immer wieder Schlagzeilen, die für weltweite Aufmerksamkeit sorgen: Die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in den 1990er Jahren, die Mordserie der rechtsextremen Terrorbande "Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der versuchte Anschlag auf die Synagoge in Halle oder die rassistischen Morde von Hanau.
Im Sommer verhinderte eine Handvoll Polizisten, dass Rechtsextremisten, Corona-Leugner und "Querdenker" ins deutsche Parlament eindrangen. Bundesweit zählen die Sicherheitsbehörden über 30.000 Rechtsextreme, von denen jede zweite Person gewaltbereit ist. Hinzu kommen 71 Gefährder und 170 sogenannte relevante Personen aus dem rechten Spektrum.
Als "Gefährder" stuft die Polizei Menschen ein, denen sie zutraut, aus einer politischen Motivation heraus schwere Gewalttaten oder Terroranschläge zu begehen. Als "relevante Personen" werden Menschen geführt, die eng mit den Gefährdern verbunden sind und denen zugetraut wird, politisch motivierte Straftaten zu fördern, zu unterstützen oder sich daran zu beteiligen. Neben diesem Personenkreis gibt es viele Menschen, die im Internet in kaum zugänglichen Foren Gewaltfantasien entwickeln und denen Auswirkungen in der analogen Welt folgen.
Ein besonderes Augenmerk legt der vorliegende Text auf das rechtsextreme Spektrum der sogenannten "Querdenker" bzw. Corona-Leugner und QAnon-Sympathisanten im Südwesten der Bundesrepublik. In Baden-Württemberg hat es von März bis Dezember 2020 mindestens 727 Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gegeben.
"Querdenker" in Karlsruhe
Am 6. Februar fanden sich 250 "Querdenker"-Demonstrant:innen auf dem Karlsruher Messplatz ein. Die Demonstration war von Güzey I., der Initiatorin der Karlsruher Initiative "Querdenken 721", als "Politischer Gottesdienst für alle Opfer der Corona Maßnahmen" angemeldet worden. Bei der Kundgebung gegen die Corona-Verordnungen verglich der aus Franken stammende und in der Schweiz wohnhafte evangelisch-reformierte Pfarrer Lothar Mack - wie bei seinen bisherigen Reden auf Querdenken-Demonstrationen - das Pandemie-Management der Bundesregierung mit einer "Diktatur". Außerdem verglich Mack die Impfkampagne mit einem "gigantischen Feldversuch".
Die Kirchen haben den "politischen Gottesdienst" in Karlsruhe heftig kritisiert. Bei der Veranstaltung gegen die Corona-Maßnahmen handle es sich offensichtlich keineswegs um einen Gottesdienst, sondern um eine öffentliche politische Kundgebung, heißt es in einer von der der evangelischen und katholischen Kirche veröffentlichten Stellungnahme. Damit werde das Wort Gottesdienst "instrumentalisiert und missbraucht". Die christlichen Kirchen wehren sich zudem gegen Versuche, "die Pandemie zu bagatellisieren und das Leid der Menschen für politische Zwecke zu instrumentalisieren". Im Dezember 2018 war Mack einer der Redner bei einer Veranstaltung des rechtsextremen "Frauenbündnisses Kandel". An Aufmärschen des männerdominierten "Frauenbündnisses Kandel" nahmen auch Neonazis und Hooligans aus dem ganzen Bundesgebiet teil.
Ebenfalls am 6. Februar fanden sich auf einem Parkplatz in Mannheim bei einer nicht angemeldeten Demonstration gegen die Corona-Regeln nach Polizei-Angaben rund 1.200 Menschen in rund 600 Autos ein. Sie wollten einen Autokorso bilden. Die Demonstration wurde nach einer Verfügung der Versammlungsbehörde der Stadt Mannheim aufgelöst, dem die Teilnehmer:innen zögerlich nachkamen.
Bundesweite Schlagzeilen hatte eine Demonstration der "Querdenker" in Karlsruhe unter dem Motto "Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Liebe" Mitte November 2020 geliefert. Eine Elfjährige verglich ihre Erfahrungen in der Corona-Zeit mit dem Leid des jüdischen Mädchens Anne Frank in der NS-Zeit. Etwa 1.000 Teilnehmer:innen demonstrierten gegen die bestehenden Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Die Heranwachsende sagte, sie habe kürzlich Geburtstag gehabt und hätte fürchten müssen, mit ihren Freunden nicht feiern zu können.
"Ich war unendlich traurig darüber, doch meine Eltern haben auch dafür eine Lösung gefunden. Wir mussten die ganze Zeit leise sein, weil wir sonst vielleicht von unseren Nachbarn verpetzt worden wären." Diese Situation habe sie an Anne Frank erinnert, so das Mädchen: "Ich fühlte mich wie bei Anne Frank im Hinterhaus, wo sie muxmäuschenstill sein mussten, um nicht erwischt zu werden, aber ich war auch sehr froh, dass ich meinen Geburtstag überhaupt feiern durfte." Das jüdische Mädchen lebte mit ihrer Familie in einem Hinterhaus versteckt, es kam nach ihrer Entdeckung im Alter von 16 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben.
Antisemitische, rechtsextreme und verschwörungstheoretische Melange. Hass und Gewalt.
Corona-Leugner und "Querdenker" vermischen rechtsextreme, verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte mit einer legitimen Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Abwegige Vergleiche mit der NS-Diktatur und eine Verharmlosung des Holocaust gehen einher mit einer zunehmenden Diffamierung staatlichen Handelns. Propagiert wird die Theorie vom "Great Reset", dem großen Neustart von Wirtschaft und Gesellschaft nach dem von "globalen Eliten" geplanten Wirtschaftskollaps. Demnach ist die Corona-Pandemie ein Vorwand, um die gesamte Weltwirtschaft zu zerstören und eine weltweite sozialistische Diktatur zu errichten.
Maßgebliche Akteure der Bewegung von Corona-Leugnern und "Querdenken" entstammen dem Milieu der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter", die die Existenz der Bundesrepublik leugnen, demokratische und rechtsstaatliche Strukturen negieren sowie von einem Deutschen Reich in den Grenzen von 1937 träumen. "Reichsbürger" weigern sich, Steuern, Sozialabgaben und Bußgelder zu zahlen. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg geht aktuell von landesweit ca. 3.200 "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern" aus.
Zum Spektrum der "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" zählen in Baden-Württemberg Gruppierungen wie "Deutsche Zukunft", "Indigenes Volk Germaniten", "Gemeinschaft Mutterrecht", "Republik Baden", "Freiheit für Deutschland" (FFD), "Primus Inter Pares e. V." sowie "Republik 'freier Volksstaat Württemberg'". Beliebt in Teilen dieser Szene ist die Verschwörungsideologie "QAnon". Ihre Protagonisten glauben an eine satanische Elite aus Politikern, Prominenten und jüdischen Unternehmern, die den sogenannten Deep State, einen geheimen Staat im Staat, anführt. Dieser soll sich unter anderem in unterirdischen Verliesen an Kindern vergreifen (deren Blut trinken, um sich zu verjüngen) und versuchen, die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Die größte deutschsprachige "QAnon"-Gruppe beim Messenger-Dienst Telegram zählt derzeit über 164.000 Abonnent:innen. Die Verschwörungskanäle auf Telegram sind dank Szene-Akteuren wie Oliver Janich oder Attila Hildmann förmlich explodiert. Die geposteten Inhalte der ehemaligen Fernsehmoderatorin Eva Hermann, heute ein bekanntes Verschwörungsorakel, haben teilweise bis zu 500.000 Aufrufe. "Querdenken"-Initiator Michael Ballweg aus Stuttgart und mehrere Anhänger trafen sich Mitte November 2020 im thüringischen Saalfeld mit dem vorbestraften "Reichsbürger" Peter Fitzek zu einem Strategiegespräch. Fitzek führt unter dem Namen Peter I. sein "Königreich Deutschland". Die 2012 gegründete Vereinigung spricht der Bundesrepublik die staatliche Legitimation ab.
Die Corona-Pandemie führt zu einer Konjunktur antisemitischer Verschwörungstheorien; Antisemitismus ist weltweit der älteste Verschwörungsmythos. Juden werden bei Demonstrationen gegen Corona-Auflagen und im Internet zum Sündenbock einer weltweiten Krise erklärt. Als Mitte des 14. Jahrhunderts die Pest Europa heimsuchte und rund ein Drittel der Bevölkerung tötete, richteten sich die Aggressionen auch gegen die jüdische Minderheit. Zehntausende Juden wurden ermordet. Die Ereignisse der Jahre zwischen 1348 und 1351 waren für die jüdische Bevölkerung des Mittelalters die größte Zäsur.
"Angesichts der zahlreichen antisemitischen Vorfälle auf den Corona-Leugner-Demos im vergangenen Jahr und der Verschwörungsmythen im Netz war leider damit zu rechnen, dass die Zahl der antisemitischen Straftaten erneut steigt."
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden
Der Zentralrat der Juden in Deutschland sieht Corona-Leugner-Demos als Treiber des antisemitischen Hasses. "Angesichts der zahlreichen antisemitischen Vorfälle auf den Corona-Leugner-Demos im vergangenen Jahr und der Verschwörungsmythen im Netz war leider damit zu rechnen, dass die Zahl der antisemitischen Straftaten erneut steigt", sagte Präsident Josef Schuster. "Jetzt ist das traurige Gewissheit." Die vorläufige Statistik zeige, "dass die Radikalisierung der Gesellschaft voranschreitet und der Respekt vor Minderheiten sinkt", warnte Schuster.
2020 erfassten die Behörden Medienberichten zufolge 2.275 antisemitische Straftaten. Das waren 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl dürfte sogar noch höher liegen, da erfahrungsgemäß Straftaten nachgemeldet werden. Die Zahl der antisemitischen Straftaten nimmt seit Jahren zu und erreichte 2020 damit einen neuen Höchstwert seit Beginn der statistischen Erfassung vor fast 20 Jahren. Aus Sicht der Polizei sind die meisten antisemitischen Delikte rechten Tätern zuzuordnen. Islamistische, linke und anders motivierte Judenhasser sind in der Statistik nur eine kleine Minderheit. Die antisemitischen Straftaten reichen von verbaler Hetze bis hin zu körperlichen Attacken gegen Juden.
Die Zunahme judenfeindlicher Angriffe verläuft parallel zu einer weiteren dramatischen Entwicklung. Anfang Februar berichtete die Bundesregierung von einem Anstieg der Kriminalität von Neonazis und anderen Rechten. Die Polizei hat 2020 nach bisherigen Erkenntnissen mehr als 23.000 einschlägige Straftaten festgestellt. Das ist der zweithöchste Stand seit 2001.
"Wir sehen mit Sorge, dass die Zahl der Bedrohungen und Anfeindungen stetig zunimmt."
Holger Münch, BKA-Präsident
Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und Journalist:innen werden laut dem Bundeskriminalamt (BKA) verstärkt durch Corona-Leugner bedroht. "Wir sehen mit Sorge, dass die Zahl der Bedrohungen und Anfeindungen stetig zunimmt. Das betrifft Politiker, aber auch andere Personen wie etwa Virologen, die während der Pandemie in den Medien besonders präsent sind", sagte BKA-Präsident Holger Münch in einem Interview. "Immer häufiger registrieren wir Angriffe auf Journalisten. Die Emotionalisierung ist groß." Münch warnt vor zunehmenden Anfeindungen gegen Politiker:innen und Virolog:innen.
Im vergangenen Jahr verzeichnete das Bundeskriminalamt deutlich mehr politisch motivierte Straftaten in Deutschland. 2629 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger:innen zählten die Behörden im vergangenen Jahr laut einer vorläufigen Auswertung. Verbale und tätliche Gewalterfahrungen gehören zunehmend zum Alltag von Politiker:innen, die in Gemeinden und Kommunen ehrenamtlich engagiert sind. Damit ist das politische Ehrenamt einer zusätzlichen und mitunter belastenden Herausforderung ausgesetzt. 243 Straftaten gegen Amts-/Mandatsträger:innen konnten im Jahr 2020 festgestellt werden, welche im Zusammenhang mit der Reichsbürger- bzw. Selbstverwalterszene stehen.
Bundesweit wurden 2020 23.080 rechtsextreme Straftaten registriert, mehr als ein Jahr zuvor, als es inklusive Nachmeldungen 22.342 waren. Gut möglich, dass es, wenn die Nachmeldungen für 2020 da sind, auch mehr sein werden als auf dem bisherigen Höhepunkt 2016.
Hinzu kommt, dass in der Bundesrepublik immer mehr Rechtsextremisten eine Waffe besitzen. Laut Bundesregierung stieg deren Bewaffnung im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Drittel. Bundesweit hatten die Sicherheitsbehörden bis Ende Dezember rund 1200 tatsächliche oder mutmaßliche Rechtsextremisten registriert, die legal Waffen besaßen - ein Anstieg um knapp 35 Prozent im Vergleich zu Ende 2019. Eine Entwaffnung von Rechtsextremen sieht das aktuelle deutsche Recht nicht vor. Hier müssten sich die Behörden stärker bemühen, Rechtsextremisten zu entwaffnen.
Unverändert blieb im Jahresvergleich die Zahl der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter, die Waffen besitzen. Stand 28. Dezember 2020 besaßen 528 Menschen aus diesem Personenkreis eine Waffenerlaubnis, heißt es in der Antwort. Immer wieder werden auch illegale Waffen gefunden. So wurden in einem Strafverfahren gegen Mitglieder und Unterstützer der rechtsextremen Vereinigung "Gruppe S." bei Durchsuchungen von 15 Objekten in 13 Orten, darunter Baden-Württemberg, am 14. Februar 2020 insgesamt 32 illegale Waffen und mehrere hundert Schuss Munition aufgefunden.
AfD und Pandemieleugner
AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel, zugleich baden-württembergische Landesvorsitzende ihrer Partei, fordert von der Politik, die Nähe zu Bewegungen wie den "Querdenkern" zu suchen. Weidel betonte anlässlich der Vorstellung des AfD-Wahlprogramms am 8. Februar in Stuttgart, dass die Südwest-AfD gut aufgestellt sei und sich breiter Unterstützung erfreut. "Dazu gehören für mich auch Bürgerbewegungen, die gegen die gegenwärtigen Corona-Einschränkungen protestierten. Ich warne davor, die Gegner dieser Einschränkungen in eine bestimmte Ecke zu drängen – in der könnten sie sich nämlich ganz schnell auch selbst wiederfinden". Daneben verwahrte sich Weidel gegen "die Übergriffigkeit des Verfassungsschutzes zur Beobachtung einer missliebigen Parteienkonkurrenz" (AfD-Pressemitteilung) und kündigte auch auf Landesebene entsprechende Schritte an.
Bei der Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg hatte die AfD einen Stimmenanteil von 15,1 Prozent erreicht. Das entsprach 23 Mandaten. Nach heftigen Flügelkämpfen und mehreren Austritten gehören derzeit 15 Parlamentarier der AfD-Fraktion an. Antisemitismusvorwürfe gegen den mittlerweile fraktionslosen Abgeordneten Wolfgang Gedeon führten 2016 vorübergehend sogar zur Spaltung der Fraktion.
Gedeon bezeichnet Holocaust-Leugner als "Dissidenten" und die Erinnerung an den Holocaust als "Zivilreligion" des Westens. Im Februar 2021 hat Gedeon ein "Manifest 2021 zur Bundestagswahl" unter dem Titel "Gegen Gobalismus und Corona-Diktatur. Die programmatischen Eckpfeiler oppositioneller Politik" veröffentlicht. Der Landtagsabgeordnete behauptet, dass für die "weltweit betriebene Corona-Politik" ein "globales Netzwerk", ein "Globales System" verantwortlich sei: "Die >Globalisten< schaffen - über WHO, IWF, EU usw. - das >Framing<, die Rahmenbedingungen, in denen nationale Politiker das verwirklichen, was global gewollt ist." Ziel der Globalisten sei die Abschaffung von Demokratie und Nationalstaat und deren Ersetzung durch einen "Weltstaat mit einer Weltregierung".
Wenige Zeilen später schlägt Gedeon den Bogen zur industriell betriebenen Massenvernichtung von Juden in der NS-Zeit. Kurzerhand fordert der Parlamentarier einen "Schlußstrich unter einen zivilreligiös betriebenen deutschen Schuldkult!" Demnach sei ein "Großteil der deutschen Bevölkerung" der "Ansicht, dass jetzt genügend des Holocaust gedacht worden ist, und will insbesondere nichts mehr hören von >deutschem Tätervolk< und >ewiger deutscher Verantwortung<".
Der seit 2017 fraktions- und parteilose Heinrich Fiechtner nennt Impfungen für Demenzkranke gegen das Coronavirus "Euthanasie" und "Versuch am Menschen im Mengele-Style". Masken bezeichnet Fiechtner als den "Hitlergruß unserer Zeit". Der über die Liste der AfD in den Landtag eingezogene Mediziner ist Dauerredner bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. In rechtsextremen Kreisen gilt Fiechtner als "Tausendsassa der Corona-Gegenöffentlichkeit", so der rechtsextreme Blog "Politically Incorrect".
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat zwischenzeitlich gegen Fiechtner ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der öffentlichen Anstiftung zu Straftaten eingeleitet. Hintergrund der Ermittlungen ist ein Video, das der Landtagsabgeordnete wenige Tage nach der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger von Präsident Trump auf Twitter veröffentlicht hatte. In dem Clip direkt aus dem Plenarsaal des Landtags hatte Fiechtner Bezug auf die Ereignisse in Washington genommen: "Wenn der Bogen überspannt wird, müssen die Bürger die Gesetzesbrecher, die Verfassungsbrecher, vertreiben", so der Parlamentarier, "dann gilt es vielleicht, ernst zu machen mit den Parlamenten."
Die AfD der Gegenwart ist nicht mehr mit der AfD in ihrer Gründungszeit identisch. Sie hat sich zum Extremismus hin entwickelt.
Mit einer durchlöcherten Netzmaske hat der Ortenauer AfD-Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz im November 2020 im Bundestag provoziert. Kurze Zeit darauf kämpfte der Parlamentarier auf einer Intensivstation des Lahrer Krankenhauses mit Covid-19 ums Überleben und wurde zeitweilig künstlich beatmet. Trotz seiner lebensgefährlichen Erkrankung ist Seitz weiterhin der Meinung, "dass bislang keine pandemische Lage vorliegt". Die staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen halte er für unangemessen.
Der ehemalige AfD-Bezirksbeirat in Rheinau (Ortenaukreis) Daniel Plack nahm am letzten Augustwochenende wie andere AfD-Politiker an der "Querdenken"-Demonstration von Ballweg in Berlin teil. Plack war auch dabei, als mehrere hundert Menschen die Stufen des Reichstagsgebäudes stürmten. Im Vorbeilaufen hatte er mit geballter Faust in die Kamera des Teams von "Frontal 21" (ZDF) gerufen: "Heute wird Geschichte geschrieben. Korrupte Verbrecher müssen festgenommen werden!".
Die AfD gilt weithin als "rechtspopulistisch". Tatsächlich lassen sich im Parteiprogramm kaum extremistische Positionen finden. Betrachtet man jedoch die Entwicklung der Partei seit ihrer Gründung, so hat sie sich kontinuierlich von einer rechtspopulistischen Einstellung weg und hin zu einer rechtsextremen Orientierung bewegt. Die deutsch-nationalistisch-völkische Strömung hat deutlich an Relevanz gewonnen.
Die AfD der Gegenwart ist nicht mehr mit der AfD in ihrer Gründungszeit identisch. Sie hat sich zum Extremismus hin entwickelt. Das zeigt sich an "problematischen Äußerungen" von Spitzenpolitikern gegen die Demokratie und die offene Gesellschaft, aber auch daran, dass als gemäßigt geltende Akteure keine größeren Probleme haben, mit extremen Protagonisten der demokratiefeindlichen Neuen Rechten zu kooperieren. AfD-Politiker und ihre Mitarbeiter relativieren die Verbrechen des Nationalsozialismus, delegitimieren gewählte Regierungen und propagieren einen Systemwechsel. Sie vertreten ein ethnisches Staatsbürgerschaftsverständnis, pauschalisieren mit fremdenfeindlichen Stereotypen und wollen Minderheiten nicht die gleichen Rechte zugestehen.
Die baden-württembergische AfD steht zunehmend in Tradition der rechtsextremen Partei Die Republikaner, die de facto nur noch auf dem Papier existent ist. Sympathisanten ihrer Partei vermuten die baden-württembergischen AfD-Parlamentarier in der Leserschaft der rechtsextremen Zeitschrift "Zuerst!". So schaltete im Oktober 2020 die AfD-Landtagsfraktion eine Doppelanzeige in "Zuerst!" (Untertitel "Deutsches Nachrichtenmagazin"). "Zuerst!" zählt zum Imperium "Lesen & Schenken Verlagsauslieferung und Versandgesellschaft mbH" des norddeutschen rechtsextremen Verlegers Dietmar Munier. Verbindungen von AfD-Politikern zu "Zuerst!" sind im "Gutachten zu tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in der AfD und ihren Teilorganisationen" des Bundesamts für Verfassungsschutz aufgeführt.
Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung dokumentiert, dass knapp acht Prozent aller Wahlberechtigten in der Bundesrepublik ein geschlossen rechtsextremes Weltbild vertreten. Hervorzuheben ist die starke parteipolitische Konzentration in der AfD. Der Anteil der Wähler:innen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild ist in der AfD fast viermal so hoch wie im Durchschnitt aller Wahlberechtigten. Fast jede:r dritte AfD-Wähler:in (29 Prozent) ist manifest rechtsextrem eingestellt. Ein weiteres Viertel (27 Prozent) vertritt latent rechtsextreme Einstellungen. Insgesamt sind damit deutlich mehr als die Hälfte aller AfD-Wähler:innen (56 Prozent) latent oder manifest rechtsextrem eingestellt.
Ein ähnliches Muster zeigt sich in allen der insgesamt sechs Dimensionen rechtsextremer Einstellungen: Bei der Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur (15 aller AfD-Wähler:innen gegenüber 5 Prozent aller Wahlberechtigten), der Verharmlosung des Nationalsozialismus (13 gegenüber 3 Prozent), beim Antisemitismus (13 gegenüber 5 Prozent), beim Chauvinismus (54 gegenüber 20 Prozent), bei der Fremdenfeindlichkeit (65 gegenüber 21 Prozent) und beim Sozialdarwinismus (8 gegenüber 4 Prozent). Dieser Personenkreis ist aus der Medienöffentlichkeit des "Merkel-Systems" ausgestiegen, will nicht ergebnisoffen diskutieren, sondern bekehren und einschüchtern. Personen, die verloren sind für die Demokratie.
Bei den demokratischen Parteien im Bundestag dagegen liegen die Anteile rechtsextremer Einstellungen ihrer Wähler entweder im Durchschnitt aller Wahlberechtigten oder sogar deutlich darunter. In keiner einzigen Dimension rechtsextremer Einstellungen liegt eine der demokratischen Parteien klar über dem Durchschnitt aller Wahlberechtigten. Das zeigt eine eindeutige und sehr klare Konzentration rechtsextrem eingestellter Wähler in der AfD. Das Einstellungsprofil der AfD-Wählerschaft ähnelt damit dem Profil der verfassungsfeindlichen NPD sehr viel stärker als dem Einstellungsprofil der anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Die AfD ist damit seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland die erste mehrheitlich rechtsextrem eingestellte Wählerpartei im Bundestag.
So nimmt nicht wunder, dass die AfD in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zum rechtsextremen Verdachtsfall erklärt wurde und somit nachrichtendienstlich überwacht werden darf. In Ostdeutschland hat sich die AfD als Volkspartei etabliert - nicht trotz ihrer rechtsextremen und demokratiefeindlichen Positionen, sondern gerade deswegen. Die Kontakte der Partei zu rechtsextremen Bewegungen wie "Pegida" oder "Zukunft Heimat" sind seit Jahren bekannt. Die AfD-Stammwählerschaft wähnt sich in einer Opferrolle, unterdrückt von "dem System", manipuliert von der "Lügenpresse".
"Die Erasmus-Stiftung verschafft menschenfeindlichen Positionen einen intellektuellen Anstrich."
Saba-Nur Cheema, Pädagogische Leiterin des Bildungszentrums
Dennoch plant der Bund, die der AfD nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung mit 70 Millionen Euro zu bezuschussen. Verwiesen wird auf eine Richtlinie im Bundestag, nach dieser jeder Partei, die es für mehr als eine Legislaturperiode nacheinander ins Parlament schafft, das Anrecht auf Millionenzuschüsse in die ihnen nahestehenden Stiftungen garantiert wird.
Die in Frankfurt/Main ansässige Bildungsstätte Anne Frank spart nicht mit deutlichen Worten, wenn es um die Einordnung der Erasmus-Stiftung geht. Die Pädagogische Leiterin des Bildungszentrums, Saba-Nur Cheema, konstatiert: "Die Erasmus-Stiftung verschafft menschenfeindlichen Positionen einen intellektuellen Anstrich." Das mache sie "besonders gefährlich". Die Spitze der Stiftung setze sich zusammen aus "Rassentheoretikern und Verschwörungsideologen, völkischen Pseudowissenschaftlern und knallharten Rechtsextremen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und des Antaios-Verlags von Götz Kubitschek."
Fazit der Bildungsstätte Anne Frank: "Die Erasmus-Stiftung der AfD - keine Stiftung wie jede andere. Fallt nicht auf den Stiftungstrick herein!" Die Vorstellung, dass diese rechtsextreme Stiftung aus Bundesmitteln Zuschüsse in Millionenhöhe erhält, hält Saba-Nur Chema für "verheerend". Sie befürchtet "Hunderte rechtsextremer Kader vom Schlag eines Björn Höcke", die in "die Schulen, Universitäten, Museen, Gedenkstätten, YouTube-Kanäle und Leitmedien strömen" würden. Mitte Januar startete die Bildungsstätte Anne Frank aus diesem Grund eine Informationskampagne und wirbt gegenüber dem Bundestag darum, dieser Finanzierung extrem rechter Forschung und Bildung mit einem Stiftungsgesetz einen Riegel vorzuschieben.
Extreme Rechte und Corona
Die 2013 in Heidelberg gegründete neonazistische Kleinstgruppe "Der Dritte Weg" wertet die Corona-Pandemie als eine "Chance für den Nationalen Widerstand?!". Im Text heißt es: "Die Coronahysterie ist aber eine Chance, dass noch mehr Deutsche aufwachen, und das herrschende BRD-System nicht mehr als gottgegeben betrachten, sondern wahre Alternativen zu der verlogenen Systemkaste suchen. Wir können die Augen öffnen und unseren völkischen Genossen die einzige Alternative, nämlich den nationalrevolutionären Sozialismus zeigen! Die heute vorherrschenden Regularien sind nur weitere Knüppel, die uns das BRD-System zwischen die Beine wirft. Anders als die verweichlichten Biedermeier-Bürger einer vermeintlichen Alternative wissen wir mit Repressionen umzugehen – sie halten uns nicht auf! Je mehr wir mit Repressionen belegt werden, desto mehr muss jeder Nationalrevolutionär die verbliebenen legalen Mittel nutzen, um unseren Kampf fortzuführen!"
Der islamfeindliche Blog "Politically Incorrect", der sowohl Leser als auch Autoren (u.a. "kewil") aus dem Ländle hat, ruft zur "Widerstandsaktion gegen die Corona-Diktatur" auf: "Merkel-Maulkörbe nie ohne Protest tragen! ... Wie man den Spagat zwischen Maskenhörigkeit und Widerstand schafft, zeigt die Idee des Protestmaulkorbes. Ohne Protest auf der Maske geht man unter und wird natürlich Uniform zu den Corona-Schlafschafen. Deshalb: Wenn schon Maske, dann NUR mit Protest! Die einfachste Möglichkeit, Maske zu tragen und gleichzeitig Protest zu bekunden, ist, die eigene Maske mittels Stift mit kreativen Botschaften zu versehen. Professioneller und nach deutlich organisierterem Widerstand aussehend sind professionell bedruckte Maulkörbe. Mittlerweile wird auch in diesem Angebot auf die durch das Merkelregime erhöhten Anforderungen in Bezug auf medizinische OP- oder FFP2-Masken Rücksicht genommen. Dabei wird jedem Protest-Level ein Angebot gemacht. Sei es nur der unzufriedene Bürger oder der schon hartgesottene Widerständler, jeder wird fündig."
Auf dem Blog mit angeblich 120.000 Besucher:innen täglich sind vorgeblich journalistische Beiträge und erst recht die Kommentarspalten ein Ort für Doxing, Verunglimpfungen, Beleidigungen und den Hass auf Minderheiten. Seit dem Jahr 2010 existieren neben der "virtuellen Gemeinschaft" von "Politically Incorrect" auch sogenannte PI-Ortsgruppen in Städten und Regionen quer durch die Bundesrepublik, darunter in Freiburg, Heilbronn, Pforzheim und Reutlingen.
Der in Freiburg beheimatete "Bund gegen Anpassung", ideologisch im Lauf der Jahrzehnte vom linken ins rechte Lager gewechselt, vertreibt ein Flugblatt mit dem Titel "Chinese, Russe oder Israeli müsste man sein - Impfgegner sind nützliche Idioten der Corona-Diktatur!". Im Text wird vom "Corona-Gefängnis" und dem "Hofvirologen" Drosten schwadroniert sowie ein Vergleich der derzeitigen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 als Grundlage für die NS-Diktatur gezogen. Die "Coronerei" sei ein "Krieg gegen das Volk mit dem Ziel seiner Entrechtung und Verarmung. Wie Leibeigene an die Scholle genagelt, so soll es nach dem Willen der >vierhundert Familien<, der Multimilliärder der Soros-Rockefeller-Bande, leben: verarmt, atomisiert, ohne Kommunikation, ohne Bargeld, als brave Knechte, vollständig entrechtet".
Aufkleber ordern und für die "Wahrheit kleben", ruft das Monatsmagazin "Compact" auf. 20 "Compact"-Aufkleber mit der Aufschrift "Impfen? Der Mensch als Versuchskaninchen" sind für 3 Euro zu haben. Das Magazin "Compact" um den gebürtigen Pforzheimer Jürgen Elsässer, zugleich Redner bei Pegida-Veranstaltungen und Veranstalter von Kongressen mit AfD-Politiker:innen, ist rechtsextrem ausgerichtet und "bedient sich revisionistischer, verschwörungstheoretischer und fremdenfeindlicher Motive".
Propagiert wird, dass die Bundesrepublik nicht souverän, sondern eine "Militärkolonie" der USA sei. Das Hochglanzprodukt "Compact" verbreitet häufig Verschwörungsideologien; unter anderem stellt das Blatt den rechtsterroristischen NSU als Geheimdienst-Komplott dar. Das "Volk" ist in der Weltsicht von "Compact" immer das Opfer: Es wird von politischen und ökonomischen Eliten bedroht und betrogen, seine angeblichen Feinde sind wahlweise "Gutmenschen", "Finanzkapital", Massenmedien oder die "Kolonialmacht" USA. Zu den Themenschwerpunkten des Blattes gehört die Asyl- und Flüchtlingspolitik - in Kombination mit dem Vorwurf an die sogenannten Altparteien, für den drohenden Untergang Deutschlands verantwortlich zu sein.
"Compact"-Stammautor ist der Österreicher Martin Sellner, Chefdenker der rechtsextremen "Identitären Bewegung". Die "Identitäre Bewegung" (IB) um Martin Sellner bezieht sich auf antiliberale, antidemokratische und antiegalitäre Strömungen aus der Zeit der Weimarer Republik. In Baden-Württemberg existieren die beiden Regionalgruppen IB Baden und IB Schwaben, wobei vor allem letztere aktiv ist. Bundesweit in den Medien erwähnt wurde "Compact" im Zusammenhang mit der Corona-Leugner-Demonstration am 29. August 2020 in Berlin. Zigtausend Menschen hatte das Demonstrationsbündnis aus "Querdenken", Impfgegnern, "Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand", Corona-Leugnern, Reichsbürgern, Holocaust-Leugnern, AfD, NPD, III. Weg und "Identitärer Bewegung" in die Bundeshauptstadt mobilisiert. "Compact" hatte über Wochen hinweg für die Proteste gegen die Corona-Politik in Berlin getrommelt.
Zum Lager der Corona-Leugner zählt auch der Kopp Verlag mit Sitz im schwäbischen Rottenburg am Neckar (Landkreis Tübingen). Das Unternehmen (Verlag, Versandbuchhandlung, Webportal mit Nachrichten) gilt als ökonomisch erfolgreichstes kommerzielles Projekt für eine Popularisierung aktueller und traditioneller Verschwörungsmythen und die Verbreitung rechtspopulistischer und rassistischer Weltsichten. Im Sommer 2020 erschien bei Kopp das Buch "Vorsicht Diktatur!" des ehemaligen Polizisten Stefan von Schubert. Auf dem Buchcover heißt es: "Wie im Schatten von Corona-Krise, Klimahysterie, EU und Hate Speech ein totalitärer Staat aufgebaut wird". Beworben wurde das Buch u.a. mit Online-Anzeigen auf dem Internet-Portal "PI-News". In der September-Ausgabe 2020 von "Compact" erschien eine ganzseitige Werbeanzeige für das Buch.
Das Machwerk ist ein Mix aus extrem rechtem Gedankengut und apokalyptisch geprägten Verschwörungsmythen: Demnach belegen "geheime Dokumente aus dem Innenministerium (...), dass die Bundesregierung in der Corona-Krise gezielt die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt hat, um so massive Grundrechtseinschränkungen durchsetzen zu können. Seit Beginn des Jahres 2020 wurden die Bürger gezielt von Politik und Medien mit apokalyptischen Horrorszenarien konfrontiert. Die tägliche Veröffentlichung der Corona-Todeszahlen glich einer Kriegsberichterstattung. (...) Das Überwachungssystem, das die Bundesregierung im Schatten der Corona-Krise am Parlament vorbei und ohne jegliche gesellschaftliche Debatte beschlossen hat, erinnert an Kontrollsysteme totalitärer Staaten. (...) Dabei stellen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung nur einen Bereich dar, um die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken. Auch im Zuge der Migrationsdebatte, der Klimahysterie, des EU-Zentralismus und des zur Staatsdoktrin erhobenen 'Kampfes gegen Rechts' werden im Grunde Sprech- und Denkverbote mit ständig neuen Gesetzen durchgesetzt. Die offene Ermutigung zur Denunzierung und die bisweilen brutale Ausgrenzung Andersdenkender lassen das typische Gebaren totalitärer Regime erkennen. Und aufgrund der Vorgaben der Politik bekämpfen Justiz und Sicherheitsbehörden, wie der Verfassungsschutz und das BKA, nicht mehr nur Kriminelle, Gewalttäter und Terroristen, sondern regierungskritische Bürger und Medien."
Der "Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V." betrachtet mit "Besorgnis" die "Behandlung des Volkes durch die Regierenden und Beamten als unmündige Masse, die zur Not auch mit dem Außerkraftsetzen elementarer Grundrechte durch eine angebliche oder wirkliche Gesundheitsgefahr" im Rahmen der Corona-Maßnahmen einhergehe: "Damit wird auch unsere Staatsform der Demokratie in Frage gestellt." Weiter heißt es, dass "in den Medien fast ausschließlich eine sehr einseitige Betrachtungsweise auf das Geschehen verbreitet wird, Kritiker unterdrückt, verleumdet oder als Trottel hingestellt werden."
So gebe es "nicht nur biologische und medizinische Zweifel an der Sinnhaftigkeit der staatlich festgelegten Maßnahmen, sondern auch erhebliche rechtliche Bedenken." Schließlich wird die Frage gestellt, "ob nicht auch folgende rechtlichen Bestimmungen hier greifen: Nach dem Bundesbeamtengesetz hat jeder Beamte die Pflicht, die dem Volk gewährten Rechte aus dem Grundgesetz bei seinem Handeln zu beachten, und sich Anordnungen, die diesem entgegenstehen zu widersetzen. Das gibt jedem Beamten die rechtliche Grundlage, in solchen Situationen kein Unrecht auf Anordnung begehen zu müssen."
Eine krude Melange aus wirren antisemitischen und rassistischen Verschwörungstheorien, germanisch-heidnischen Glaubensansätzen mit ethnopluralistischen Vorstellungen und brauner Esoterik.
Die rechtsextreme Weltanschauungsgemeinschaft "Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V." (BfG) unterhält im württembergischen Herboldshausen einen Stützpunkt, das sogenannte "Jugendheim Hohenlohe", ein mehrstöckiges ehemaliges Bauernhaus in der Ortsmitte von Herboldshausen bei Kirchberg an der Jagst im Landkreis Schwäbisch Hall. Regelmäßig finden auf dem Anwesen, das seit Anfang der 70er Jahre im Besitz der Ludendorffer ist, Veranstaltungen statt. Die Ludendorffer treffen sich in dem ca. 4300 Einwohner:innen zählenden Dorf zu Schulungswochenenden, Volkstanz, der Durchführung von Ferienlagern, dem Feiern von Sonnwendfeiern und anderen Brauchtums-Ritualen wie Erntefeste und Laternenumzüge sowie zur Abhaltung von Seminaren und Tagungen.
Die religiös-völkische Politsekte bezeichnet sich als Weltanschauungsgemeinschaft. Der BfG sieht es als seine Aufgabe an, "die religionsphilosophischen Einsichten der Gotterkenntnis Mathilde Ludendorffs unter allen Menschen, die dafür aufgeschlossen sind, durch Wort und Schrift zu verbreiten und in der Gemeinschaft zu pflegen." (Satzung vom 1. Juli 2014) Gemeint ist eine krude Melange aus wirren antisemitischen und rassistischen Verschwörungstheorien, germanisch-heidnischen Glaubensansätzen mit ethnopluralistischen Vorstellungen und brauner Esoterik.
Die Ärztin und "Philosophin" Mathilde Ludendorff (1877-1966), Schöpferin der Gotterkenntnis, gilt als "Urgroßmutter des deutschen Antisemitismus" und als "gedankliche Wegbegleiterin des Nationalsozialismus". Ludendorffs Ideologie zufolge soll ein "artgemäßer deutscher Glaube" das Christentum, das sie als rassefremde Irrlehre verdammte, ersetzen. Ludendorff, geborene Spiess, verwitwete von Kemnitz, geschiedene Kleine, heiratete 1926 Erich Ludendorff. 1937 erhielt Ludendorff, der im Ersten Weltkrieg General und danach zeitweise Hitlers Wegbegleiter war, ein Staatsbegräbnis. Zusammen mit Hitler führte er am 9. November 1923 von München aus einen misslungen Putschversuch "Marsch auf die Feldherrnhalle" gegen die Reichsregierung an. Später entzweiten sich die beiden Braunen.
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